Assemblage – aus einer Stadt gefallen
"stringendo" 2012
Projektbeschreibung von Ruth Baumann (Objektkunst)
und Tom Rojo Poller (Komposition)
Unsere Arbeit versucht, die Schnittstelle von Objektkunst und Klanginstallation zu erkunden, indem sie zwei eigenständige, dabei aber strukturell wie sinnlich-phänomenal aufeinander beziehbare Ebenen – eine visuelle und eine klangliche – miteinander kombiniert. Die visuelle Ebene wird repräsentiert durch ein Objekt aus Haaren. Haar ist das Private, Persönliche, Alltägliche, das vom Kopf fällt und von da an nutzlos wird und stört – und das, ob als eigenes oder fremdes, an jedem Ort.
Auf ihren Wegen durch die Stadt sammelt Ruth Baumann zurückgelassene Haare auf – als Zeichnungen an einem überraschenden Ort, als Embleme für einen individuellen vergangenen, langsam gewachsenen Zeitabschnitt. Indem sie dann diese irritierenden Fundstücke mit Knoten verbindend Form gibt, wertet sie das natürliche Abfallprodukt wieder auf. In dem beschriebenen Arbeitsprozess wird ein mehrere Meter langes Objekt entstehen, das horizontal über Kopfhöhe mit durchsichtigen Klebstreifen an der Wand befestigt sein wird.
Die Klangebene korrespondiert mit dem Haarobjekt in unterschiedlicher Weise. Einerseits greift es die Zeitdimension und das Linearitätsprinzip des Haars auf, indem es durch lange ausgehaltene Töne die immanente Zeitlichkeit des gewachsenen Haares aktualisierend versinnlicht. Gleichzeitig ergeben sich durch Überlappungen der Einzeltöne kurzzeitige Schichtungen, die an die Haarverknüpfungen erinnern. Zudem werden die einzelnen Töne, scheinbar statisch, doch in sich durch leichte Intonationsschwankungen wie die innere Haarstruktur mikroskopisch aufgeraut sein.
Die Töne werden über zwei oder mehr Lautsprecher in eine Richtung wandern und so die lineare Ausrichtung des Haarobjekts verdeutlichen.
Unsere Arbeit ist in ihren Mitteln minimalistisch konzipiert. Sie versucht, sich den Themen Zeit und Flüchtigkeit anzunähern, indem sie den Rezipienten das möglichst klar und genau formulierte Angebot macht, sich in der Wechselwirkung von eigener Bewegung und akustischer wie visueller Objektebene auf eine die Sinneswahrnehmung schärfende Erfahrung einzulassen.